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Im Biathlon über zehn Kilometer siegen Leonie Walter und ihr Guide Pirmin Strecker in einem Herzschlagfinale 3,7 Sekunden vor der favorisierten Ukrainerin Oksana Shyshkova.

Sie standen an der Bande und brüllten sie ins Ziel – unter den euphorisierten Blicken von mehr als einem Dutzend anwesenden Mitgliedern des Teams Deutschland Paralympics holten Leonie Walter und Pirmin Strecker auf der Zielgeraden noch einmal alles aus sich heraus. Sie wussten: Es würde knapp werden – der  Vorsprung auf die hinter ihr laufende Oksana Shyskhova war auf den vorangegangenen zwei Kilometern der letzten Runde permanent geschrumpft, der Hals des Guides vor lauter Anfeuerung schon ganz trocken. Die Anstrengungen fruchteten. Walter gewann in 40:56.2 Minuten.

Ausschlaggebend für ihren Erfolg: Anders als alle Kontrahentinnen im Feld blieb sie ohne Fehler. Shyshkova musste zweimal in die Strafrunde, die Drittplatzierte Yue Wang (China, 42:50.3 Minuten) viermal. „Ich wusste von Anfang an: Aufs Schießen kommt es an. Ich muss fehlerfrei bleiben. Also habe ich mir Zeit gelassen. So hat es funktioniert“, berichtete Walter. „Eine coole Socke“, nannte der Bundestrainer Ralf Rombach daraufhin seine Gold-Leonie, die während eines ARD-Interviews vor laufender Kamera mit ihrer glückseligen Mutter telefonierte. Renate Walter wusste zu berichten: Ihr Telefon stand schon zu diesem Zeitpunkt am frühen Morgen in Deutschland vor lauter Glückwünschen nicht mehr still.

Der Triumph der jungen Walter setzte ihren Erfolgen der Vortage und denen ihrer Dienstag pausierenden Teamkollegin Linn Kazmaier (SZ Römerstein) die Krone auf. Zweimal Silber und zweimal Bronze hatte das Nachwuchsduo bei den Paralympics schon eingefahren, nun kommt Gold dazu. „Wir hatten schon beim Biathlon-Sprint gesehen, dass wir mitmischen können. Aber für einen Sieg muss alles passen – bis hin zum Material. Und heute hat alles geklappt“, sagte Ralf Rombach.

Komplette Medaillensets

Martin Fleig brauchte drei Wörter, um die Gefühlslage des deutschen Teams Ski nordisch zu beschreiben. „Stolz wie Harry“ sei er, sagte der 32-Jährige vom Ring der Körperbehinderten Freiburg und bezog das explizit nicht allein auf die von ihm selbst bezogene Silbermedaille, die er zuvor erkämpft und am Weltfrauentag seiner Frau Stefanie gewidmet hatte, sondern auf die Leistungen des gesamten Teams bei diesen Paralympics. „Ich freue mich mega für die jungen Athleten und Athletinnen. Wir arbeiten und trainieren alle hart und das zahlt sich jetzt einfach mal aus.“

Fleig, der vor dem Rennen einen gelösten Eindruck gemacht hatte, begann sein Rennen mit zwei Kreiseln in der Strafrunde. „Da habe ich mir gedacht: Das fängt ja gut an“, verriet er der ARD. Ein weiterer Fehlschuss kam nicht hinzu. „In der zweiten Runde ist bei mir der Knoten geplatzt.“ Und das war zu sehen. „Martin ist explodiert. Ich habe ihn noch nie so stark am Berg gesehen“, staunte der begeisterte Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes, Friedhelm Julius Beucher, der im Ziel einer der ersten Gratulanten war. Der Chinese Mengtao Liu (30:37.7 Minuten, drei Fehler) war für Fleig nicht zu schlagen, in 31:23.7 Minuten blieb er aber knapp vor dem läuferisch starken Ukrainer Taras Rad (31:26.9 Minuten, vier Fehler).

Fleigs Teamkollegin in der sitzenden Konkurrenz, Anja Wicker vom MTV Stuttgart, schlug im Zhangjiakou National Biathlon Centre ebenfalls zu – obwohl ihre ungewöhnliche Fehlerserie am Schießstand weiterging. Weil der Wind im Vergleich zum Anschießen im Rennen zunahm, hatte die 30-Jährige Probleme. Insgesamt fünfmal musste sie in die ungeliebte Strafrunde.

Läuferisch aber setzte Wicker ein Ausrufezeichen nach dem doch etwas enttäuschenden fünften Platz im Biathlon-Sprint am Samstag. „Ich habe nach den ersten Metern gemerkt: Heute ist es wieder so, wie es sein soll. Die Skier waren gut, die Strecke war super, die Arme erholt. Ich war in der letzten Runde noch immer nicht müde. Da macht es gleich mehr Spaß“, sagte sie. Bronze in 35:45.3 Minuten hinter Kendall Gretsch (USA, 33:12.3 Minuten, ein Fehler) und Oksana Masters (USA, 33:21.0 Minuten, kein Fehler) bedeutete die dritte paralympische Medaille für Wicker nach Gold und Silber 2014 in Sotschi. Und es bedeutete die Komplettierung ihres paralympischen Medaillensets.

Ausgiebig feiern konnte Wicker nicht – am Mittwoch im Langlauf-Sprint ist sie wie Marco Maier, Alexander Ehler (beide SV Kirchzarten). Linn Kazmaier, Leonie Walter, Johanna Recktenwald (mit Guide Valentin Haag, am Dienstag Vierte) und Nico Messinger (mit Guide Robin Wunderle, am Dienstag Siebter) wieder gefragt. „Aber bei der Medaillenvergabe dort oben auf der Bühne zu stehen“, sagte Anja Wicker, „das habe ich schon genossen.“ Sie war nicht die einzige Deutsche, die das von sich behaupten konnte.

 

Benjamin Schieler, Nordic Paraski Team Deutschland
Foto: Ralf Kuckuck / DBS

Christian Kaindl

Autor Christian Kaindl

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