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Der deutsche Para Ski nordisch-Bundestrainer Ralf Rombach begrüßt die Entscheidung des IPC, Russland und Belarus von den heute beginnenden Paralympics 2022 in Peking zu suspendieren. Er hofft, dass sich seine Athletinnen und Athleten nun auf die Wettkämpfe konzentrieren können. Ein Überblick über den Stand der Dinge bei den Deutschen.

„Ich halte diese Entscheidung für richtig, auch wenn es mir für die Betroffenen unheimlich leidtut. Für sie ist das extrem bitter; auch sie haben vier Jahre für ihre Teilnahme hier gekämpft. Aber das steht in keinem Verhältnis zum entsetzlichen Leid der Ukraine. Die friedliebende Welt – und dazu zählt die paralympische Bewegung – musste ein Zeichen setzen“, sagte Ralf Rombach.

Auf die am Samstag beginnenden Wettkämpfe im Para Biathlon und Para Skilanglauf hat die Suspendierung gewichtige Auswirkungen. Für das Russische Paralympische Komitee sollten 32 Athletinnen und Athleten antreten, für Belarus zwölf, viele von innen mit guten Medaillenaussichten. Die Karten werden nun neu gemischt; das gilt erst recht deswegen, weil das Gastgeberland China seinerseits 32 Athletinnen und Athleten in die Loipe schickt. Deren Leistungsniveau ist schwer einzuschätzen, weil sie bei Weltcups bislang kaum in Erscheinung getreten sind.

Die acht Para Skilangläufer und Biathleten plus vier Guides aus Deutschland haben die Strecken im Zhangjiakou Biathlon Stadium in den vergangenen Tagen kennengelernt. Beim Biathlon-Sprint am 5. März will das gesamte Team an den Start gehen.

Anja Wicker (Frauen sitzend, MTV Stuttgart)
„Ich werde Gas geben müssen – die ganze Zeit“ – das war die Vermutung der 30-jährigen nach der ersten Besichtigung der Strecken, die sehr rund zu laufen sind und wenig Kurven haben. Ob ihr das zugutekommt, ebenso wie die Beschaffenheit des Kunstschnees? „Das wird sich im Rennen zeigen“, sagt sie. Die beiden US-Amerikanerinnen Oksana Masters und Kendall Gretsch sind in ihrer Klasse Topfavoritinnen, Anja Wicker peilt offensiv eine Medaille an. Bei der WM im Januar In Lillehammer gewann sie einmal Gold und einmal Bronze. „Es wäre toll, wenn sie daran anknüpfen könnte“, sagt Ralf Rombach.

Martin Fleig (Männer sitzend, Ring der Körperbehinderten Freiburg)
Vor vier Jahren bei den Paralympics in Pyeongchang gewann der Gundelfinger Gold im Biathlon-Einzelrennen – auch dank eines fehlerfreien Schießens. In diesem Winter läuft es am Schießstand noch nicht richtig rund für ihn. Das Selbstverständnis fehlt. Bei der WM kam Pech mit dem Wind hinzu, der auch am Samstag kräftig blasen soll. Der Bundestrainer hofft, dass Fleig seine Stärke im Wettkampf wiederfindet – was auch dessen Ziel entspricht. „Ich weiß, wozu ich fähig bin. Ich muss es nur abrufen“, sagt Fleig.

Alexandr Ehler (Männer stehend, SV Kirchzarten)
Den mit 52 Jahren ältesten Athleten im gesamten deutschen Team erwischte kurz vor den Paralympics eine Corona-Infektion. Der Verlauf war mild, er ist negativ und startklar, doch die Auswirkungen der Erkrankung sind unklar. Ehler selbst ist wild entschlossen, so viel wie möglich mitzunehmen von den Wettkämpfen. „Ich will laufen. Die Strecken hier kommen mir entgegen“, sagt er. Vor vier Jahren war der Oldie Teil der Mixed-Staffel, die in Pyeongchang Bronze holte. Auch diesmal ist er für die Staffel vorgesehen.

Marco Maier (Männer stehend, SV Kirchzarten)
Im Trainingslager vor dem Abflug zu den Paralympics hing sich der 22-jährige Allgäuer voll rein und wirkte danach entsprechend müde. „Aber das ist okay. Es spricht nichts dagegen, dass er hier mit einer guten Form an den Start geht“, sagt der Bundestrainer. Wie sein Vereinskollege Alexander Ehler glaubt Marco Maier, dass ihm die Strecken in Zhangjiakou entgegenkommen: „Der erste Kilometer ist zäh, weil es fast nur bergauf geht. Danach ist alles schön kupiert. Da kann ich bei den Übergängen meine Größe ausspielen.“ Worauf es seiner Meinung nach ankommen wird: eine kluge Renneinteilung.

Linn Kazmaier (Frauen mit Sehbeeinträchtigung, SZ Römerstein, mit Guide Florian Baumann)
An ihren ersten Tagen in China präsentierte sich die mit 15 Jahren jüngste deutsche Teilnehmerin voller Begeisterung ob des Erlebnisses Paralympics. Von Aufregung ist bei der erstaunlich reifen Schwäbin nichts zu spüren. „Die wird kommen, sobald ich mich vor dem ersten Rennen aufwärme“, prophezeit sie – und sieht darin etwas Gutes. „Die Aufregung pusht mich.“ Druck verspürt Linn Kazmaier keinen, nur Vorfreude. „Ich bin ready for action“, sagt sie und spielt auf die Aufschrift eines ihrer alten T-Shirts an.

Johanna Recktenwald (Frauen mit Sehbeeinträchtigung, Biathlon Team Saarland, mit Guide Valentin Haag)
Schon die Olympischen Spiele zeigten: die Höhe von rund 1700 Metern diktiert eigene Gesetze für die Wettkämpfe im Langlauf und Biathlon. Johanna Recktenwald bekam das in den ersten Tagen zu spüren. „Schon das Training strengt mich an. Die Luft ist sehr trocken, das geht auf die Lunge“, berichtet sie. Sie sagt aber auch: „Ich komme von Tag zu Tag besser zurecht.“ Die riesengroße Freude der 20-jährigen Wahl-Freiburgerin über ihre Nominierung ist noch immer spürbar. Erst 2016 hat sie mit ihrem Sport begonnen, jetzt ist sie bei den Paralympics. Ihr Ziel: „Spaß haben, Erfahrung sammeln, meine Leistung abrufen.“

Leonie Walter (Frauen mit Sehbeeinträchtigung, SC St. Peter, mit Guide Pirmin Strecker)
Wie Linn Kazmaier zählt die 18-Jährige zu den viel versprechenden Nachwuchstalenten im deutschen Team. „Beide sind auf einem ähnlichen Niveau unterwegs“, sagt Ralf Rombach. Die stumpfen Bedingungen im Trainingslager vor Peking machten Leonie Walter zu schaffen. In Zhangjiakou kam sie bei ähnlichen Verhältnissen bisher besser zurecht. „Am liebsten wäre es mir ja, wenn es schön eisig wäre“, sagt die 18-Jährige lachend. Die Wettervorhersage macht ihr wenig Hoffnung; es soll frühlingshafter werden. Daher: „Wenn der Schnee so bleibt, wäre das in Ordnung.“

Nico Messinger (Männer mit Sehbeeinträchtigung, Ring der Körperbehinderten Freiburg, mit Guide Robin Wunderle)
Ähnlich wie Johanna Recktenwald haderte Nico Messinger an den ersten Trainingstagen mit den äußeren Bedingungen. In seinem Fall war es nicht allein die Höhe, die ihm zu schaffen machte, sondern noch mehr die Lichtverhältnisse. „Es ist sehr grell. Damit komme ich noch überhaupt nicht zurecht.“ Mit einem guten Einstieg will sich der 27-Jährige Zuversicht für die weiteren Rennen holen. Die Sprintdistanz liegt ihm normalerweise. Und noch etwas: dass auf den Paralympics-Strecken viel in der 1-1-Technik gelaufen werden muss. „Das können Nico und Robin“, sagt der Bundestrainer.

 

Benjamin Schieler, Nordic Paraski Team Deutschland
Foto: Ralf Kuckuck / DBS

Christian Kaindl

Autor Christian Kaindl

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