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Mein holpriger Weg zum IM Cozumel 2023 – Ein persönlicher Rennbericht von Gerd Bräuer

Von 25. Februar 2024Allgemein

Mein holpriger Weg zum IM Cozumel 2023
Ein persönlicher Rennbericht von Gerd Bräuer

Triathlon im Paradies? Die Werbung für den IM Cozumel übertreibt wirklich nicht:
Glasklares, warmes Wasser (mit hilfreicher Strömung Richtung T1), eine schnurgerade,
glatte Straße rund um die (halbe) Insel und ausgelassene Stimmung bis in die Nacht
hinein auf der Laufstrecke durch die Stadt. Aber um an die Startlinie zu gelangen, das
kann mühsam werden und gespickt sein mit allerlei Abenteuern. Genau das richtige für
Menschen wie mich, die gerne immer ein paar Zweifel mit sich herumschleppen und
immer wieder aufs Neue unerwartete Probleme lösen wollen.

Die erste Herausforderung: Corona und die Nachwehen. Ich hatte bereits 2022 einen
Startplatz für Cozumel, aber war zum Zeitpunkt des Rennens mit diversen
Einschränkungen beschäftigt. Ich erwähne das hier nur, um zu verdeutlichen, woher
letztlich meine gesteigerte Motivation für den Start auf der Insel kam. IRONMAN erlaubte
mir die Verschiebung des Startplatzes auf 2023 und ich war war doppelt froh darüber, weil
ich wusste, dass ich im Herbst 2023 beruflich in Puebla sein würde.

Auf 2.200 Metern Höhe, umringt von drei 5.000er Vulkanen, vermutete ich die besten
Trainingsbedingungen. Ich sollte mich gewaltig geirrt haben, denn es dauerte Wochen bis
ich ein beheiztes Schwimmbecken fand (ja, auf dieser Höhe wird es auch in Mexico kalt)
und einigermaßen radtaugliche Straßen ausgekundschaftet hatte. Hierbei half mir eine
lokale Radgruppe, die mich und meinen Sohn sehr freundlich aufnahm. Aber natürlich
hatten wir unterschiedliche Vorstellungen von „radtauglich“: Schlaglöcher am laufenden
Band, heftiger Verkehr mit vielen klapprigen und stinkenden Fahrzeugen (aber
rücksichtsvollen und freundlichen Fahrern), das lässt die einheimischen Radsportler alles
unbeeindruckt. Mir bescherte es mehrere Stauchungen meines Nackens und die Einsicht,
dass FFP-2-Masken auch beim Radtraining hilfreich sein können.

Bei unseren Trainingsausfahrten in die Berge (bis auf 3.000 Höhe) blieb mir jedoch recht
oft im wahrsten Sinne des Wortes die Luft weg. Aber ein Trainingsreiz der besonderen Art
war das bestimmt. Bei meinen Langsam-Anfahrten zu den Pässen hatte ich außerdem
genug Zeit, den Bewohnern beim Sonntagsalltag, der sich hauptsächlich auf den Straßen
und Plätzen der Ortschaften abspielt, zuzuschauen und mich motivieren zu lassen von
den begeisterten Anfeuerungsrufen der Kinder und Jugendlichen.

Vier Wochen vor dem Start hatte ich eine Generalprobe bei einer „OD“ in Acapulco am
Pazifik geplant. Ich wollte den Wechsel von der Gebirgshöhe auf Meeresspiegel erleben
und außerdem schauen, wie mir der Wechsel von der trockenen Luft der Hochebene zum
fecht-heißen Klima am Meer gelingt. Alles gut gedacht für einen gesunden Menschen.
Eine Tortour für jemanden mit einer Magen-Darm-„Grippe“ — von den Einheimischen
gerne als „Montezumas Rache“ bezeichnet. Der Azteken-König aus dem 16. Jahrhundert
ist zwar längst Geschichte, aber die Viren, die dazu führen, dass Europäer im wahrsten
Sinne des Wortes in die Knie gehen, leider nicht. So erging es also auch mir. Während
mein Sohn die Sprintdistanz grandios als erster beendete, war ich als Schatten meiner
selbst mit der Einnahme von Antibiotika beschäftigt. Der Arzt hätte mich gerne ein paar
Tage zur Beobachtung in die Klinik aufgenommen, aber ich wollte nur noch weg. Richtiger
Reflex, denn drei Tage später fegte ein Hurrikan von bisher in Mexico noch nicht erlebter
Stärke über die Stadt und machte u.a. auch unser Hotel dem Erdboden gleich.

Zurück in Puebla und 3-4 Kilo leichter (mein Sohn bezeichnete mich ab dem Moment als
„magersüchtig“) versuchte ich zu retten, was zu retten war für meinen Start auf Cozumel.
Ich hatte ja nur noch wenig Zeit, aber um so mehr für diese letzte Vorbereitungsphase auf
dem Trainingsplan stehen. Also rannte ich bereits am vorletzten Tag meiner Antibiotika-
Einnahme los und schon machte es „pling“ in meiner Oberschenkelmuskulatur. Von dieser
Gefahr bei der Kombination von Antibiotika und Training hatte ich zwar im Internet
genügend gelesen, aber leider nichts gelernt. Also war ich gezwungen, weitere Umfänge
zu kürzen. Sicherlich kein guter Umstand, aber wie schon eingangs geschrieben: Ich
wollte dieses Jahr UNBEDINGT starten.

Und dann ereignete sich mein persönlicher Glücksfall: Ein Triathlet aus der Radgruppe
begutachtete mit sorgenvollem Blick meinen „Stahl-Esel“, den ich nach unserer Ankunft
in Puebla von einem verunfallten Sportler übernommen hatte und — stellte mir sein
Carbon-Rad für den Wettkampf zur Verfügung. Nun erschien mir die Reise auf die Insel
wieder rosarot. Schnell war alles gepackt. Die Anreise dank genialer Orga von Hannes
Hawaii Tours (ACHTUNG PRODUKTWERBUNG!) ein Kinderspiel. Doch halt! Nun kam sie
doch noch, die „last minute“-Panik: Einen Tag vor dem Start hatte ich einen steifen Hals
und das Gefühl von Halsschmerzen. Wie so oft war davon am Morgen des Starts nichts
mehr zu spüren…

Der Rest wäre schnell erzählt, wenn mit dem Wettkampf alles normal gelaufen wäre. Nach
einer Stunde Warten am Strand auf die Freigabe des Schwimmstarts kam die Hafen-
Behörde und ordnete an, die Schwimmsachen wieder auszuziehen und mit dem Rad
loszufahren. Durch die vorangegangenen stürmischen Tage hatte sich die Strömung von
„landeinwärts“ zu „landauswärts“ gedreht. Auf diese Weise hätten sich nicht wenige der
zirka 2.000 Teilnehmenden eine halbe Stunde nach ihrem Start weit draußen in der Karibik
wiedergefunden. Und dort lauern bekanntlich die Haifische, die ja auch etwas von Rennen
haben wollen…

Während Sebastian Kienle bei seinem „last dance“ als Profi-Triathlet vielleicht froh war
über das abgesagte Schwimmen als perfekter Beginn seines „Rentner-Daseins“, waren
die meisten anderen von uns sehr traurig. Gerne hätten wir das glasklare, warme Wasser
auf der Schwimmstrecke genossen. So aber düsten viele von uns viel zu schnell und
übereifrig mit dem Rad los. Ich selbst änderte leider auch später nichts daran, weil sich
mein angeschlagenes Tempo in dem Moment einfach so gut anfühlte.

Aber auf der dritten 60km-Schleife kam die erste Rechnung: Plötzlich bemerkte ich die
enorme Hitze auf der Straße. Und zu allem Unglück musste ich mir außerdem noch
eingestehen, dass ich nicht so viel getrunken hatte wie geplant. Also hieß es in der
Endphase der Radstrecke, noch einen weiteren Gang rausnehmen und Trinken, was bis
T2 noch reinging. Dass ich für den Wechsel fast 14 (!) Minuten benötigte, deutet wohl
schon an dieser Stelle auf eine gewisse „Umnachtung“ des Teilnehmers hin. Aber
zumindest hielt es mich nicht ab, auch beim Laufen für meine Verhältnisse zu schnell
anzugehen. Auf glattem Asphalt durch die aufgeheizte Innenstadt wurde mein Weg zur
Ziellinie dann noch arg holprig. Ohne die moralische Unterstützung meines Sohnes hätte
ich mich wahrscheinlich irgendwann im nächtlichen Park schlafen gelegt. So aber bin ich
nach rund zwölf Stunden (wie gesagt, ohne Schwimmen) erleichtert über die Ziellinie
gelaufen.

svktriathlon

Autor svktriathlon

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